PUBLIKATIONEN

Hochparterre März 2023 / Toggenburg – Wandel durch Vernetzung

Hochparterre Oktober 2015 / Die fünfzig besten Bauten und Produkte aus Holz / Prix Lignum, 2.Platz

Deutsche Bauzeitung Januar 2016 / Regionale Ökonomie / Autor: Hubertus Adam

Voralberger Nachrichten Januar 2018 / Einfach (und) gut / Autor: Fabian Ruppanner

 

Einfach (und) gut

Die Industrie des St. Galler Rheintals wächst seit Jahren stetig. Kaum eine Ortschaft, die den Schwerpunkt in ihrer Stadtentwicklung nicht auf industrielle Betriebe legt. Das Bauvolumen ist enorm, aber die Architektur geht häufig aussen vor. Ein Familienbetrieb in Hinterforst versucht einen anderen Weg. Vater und Sohn, Sägemeister und Architekt, positionieren einen Betrieb in der Zukunft. Und im Dorf.

 

Ein Zittern geht durch den Stamm. Er wackelt leicht und kommt knarzend zum Liegen. Mit einem mechanischen Rattern setzt sich das Sägeblatt in Bewegung. Langsam senkt es sich nach unten. Späne fliegen durch die Luft, als es sich mit einem satten Geräusch ins Holz gräbt. Mit einem Knirschen zerfällt der Stamm in saubere Bretter.

Hinterforst scheint nur schon dem Namen nach der passende Standort für einen Holzbetrieb zu sein. Ganz im Westen des Dorfes, dort wo der Waldrand bis an die Gärten der letzten Häuser stösst, dort steht die Sägerei Fenkholz. Die dichten Waldgebiete erstrecken sich von Bodensee bis Walensee, entlang der voralpinen Hänge des Schweizer Rheintals. Dass der Betrieb ausschliesslich Bäume aus diesen Wäldern verarbeitet, versteht sich von selbst. Holz ist und bleibt ein regional verankertes Material. Nicht ohne Grund stammt der Begriff der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft. Auch die Abnehmer der fertigen Produkte befinden sich alle in nächster Nähe. Die Nachfrage nach lokalen Materialien ist gross. Ruedi Fenk führt das Unternehmen mit seiner Frau Doris bereits in vierter Generation. Sie können auf eine bald 140-jährige Geschichte zurückblicken. Und in eine rosige Zukunft: zwei der drei Söhne teilen die Leidenschaft der Eltern. Sie werden den Betrieb in den nächsten Jahren sukzessive übernehmen.

 

Nachhaltig in der Familie.

Patrick und Marco Fenk, die beiden Söhne, optimieren das florierende Unternehmen nach und nach. Mit einem Neubau soll daher nicht die Produktivität gesteigert, sondern Platz geschaffen werden. Für moderne Maschinen und minimale Produktionswege. Hier kommt der dritte und jüngste Sohn der Familie ins Spiel. Denn Michael Fenk hat sich für einen anderen Weg entschieden: nach einer Hochbauzeichner-Lehre hat er Architektur studiert. Mittlerweile arbeitet er im Büro Archraum in Altstätten zusammen mit Daniel Eggenberger. Es liegt auf der Hand, dass man den jungen Architekten mit ins Boot holt. Aber nur unter einer pragmatischen Bedingung: er verzichtet auf sein Honorar und hat dafür gestalterisch freie Hand. Denn der Neubau soll mehr sein, als eine weitere Halle. Er soll in seiner Materialisierung die Arbeit der Familie unterstreichen. Er soll aufzeigen, dass es neben der standardisierten Normlösung auch andere Wege gibt. Und dass ambitionierte Architektur nicht teuer sein muss.

Der Betrieb ist im letzten Jahrhundert organisch gewachsen. Die einzelnen Schuppen und Hallen stehen lose unterhalb der Oberrütistrasse. Der Bestand überzeugt zwar weder architektonisch noch ökonomisch, er hat den dörflichen Kontext aber nie gesprengt. Der Neubau soll die Produktionsfläche nun kompakt um über 1’000m2erweitern. Eine ehemalige Weide oberhalb der Strasse dient als Bauplatz. Die zwei neuen Hallen stehen längs zu Strasse und Hang. Der gemeinsame Sockel aus Beton nimmt den Schub des Berges auf. Und fasst sie gleichzeitig als Ensemble zusammen. Ein offener Werkhof trennt die südliche, kleinere Halle von seinem nördlichen, grösseren Geschwister. Die grosse Halle bietet mit ihren 35 Metern Länge Platz für den neuen Maschinenpark. Die kleinere, quadratische, ist auf beiden Seiten offen und dient als Lager. Das weitere Wachstum ist schon eingeplant. Durch die lineare Anordnung können beide über den Hof zu einer einzigen Halle zusammengefügt werden. Die Dimensionen der Gebäude stimmen. Die Lage im Hang nimmt ihnen zusätzlich an Masse. Auch als einzelnes Volumen würden sie den Kontext nicht sprengen.

 

Nachhaltig in der Architektur.

Auf den ersten Blick wirken die Hallen wie jeder andere Schuppen: Fassade aus Holz, Giebeldach. Doch der Schein trügt. Denn nur die Längswände sind mit einer Lattung aus verschieden dicken Balken verkleidet. Die Stirnseiten der Produktionshalle sind mit transluzenten Polycarbonat-Stegplatten verkleidet. Sie fluten den Innenraum mit Tageslicht, grosse Tore lassen sich beidseitig öffnen. Der First der beiden Hallen ist asymmetrisch in Richtung Hang verschoben. Die Form ergibt sich aus dem zweischiffigen Grundriss. Zum Hang liegt der breite Produktionsbereich, zur Strasse die schmaleren Neben- und Lagerflächen. Massivholz-Stützen trennen die Bereiche räumlich ab. Sie tragen das Fachwerk des Daches. Das einmal nach oben und einmal nach unten orientierte Fachwerk ist ebenfalls aus Massivholz konstruiert. Der Architekt griff praktisch ausschliesslich auf die Produkte des eigenen Betriebs zurück. Auch bei den Handwerkern: die sonstige Kundschaft baut die Zukunft des Zulieferers. Der einzige massive Einbau folgt der gleichen Logik. Die Büroräumlichkeiten mit Aufenthaltsraum und WC finden in einem zweigeschossigen Volumen Platz. Dessen Wände bestehen aus horizontal und vertikal quer verlegten und holzgedübelten Bretterlagen. Der konsequente Einsatz von Holz in seiner reduziertesten Form ordnet alle Elemente formal zueinander.

Seine Brüder haben dem Architekten klare Vorgaben gemacht. Der gesamte Neubau ist perfekt auf die produktionstechnische Logik des Betriebs angepasst. Und doch ist die architektonische Haltung überall greifbar. Michael Fenk hat es geschafft, die verschiedensten Ansprüche in Architektur zu übersetzen. Hier kommt alles zusammen: ökonomische, städtebauliche, soziale Nachhaltigkeit. «Jeder macht das, was er am besten kann.», meint Ruedi Fenk trocken. Mit einem stolzen Grinsen im Gesicht fährt er die Gabel des Staplers unter die Bretter. Im Hof schichtet er sie sauber aufeinander. Der nächste Auftrag wartet, die Nachfrage ist gross. –